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Da hatte ich eine wichtige
berufliche Entscheidung zu treffen |
Zur Auswahl stand
folgendes Angebot: Wollen
sie in der Fernmeldetechnik bleiben, oder zur digitalen
Rechentechnik wechseln ?
Viel Zeit hatte ich nicht
für
diese Entscheidung. Denn in drei Wochen
sollte schon eine Ausbildung am Institut für
Mathematische Machinen in Warschau beginnen. Dieser
Lehrgang hatte zum Inhalt, eine
Berechtigung zur Instandhaltung eines Elektronenrechners
zu erwerben.
Also totales Neuland !
Dafür hatte ich mich vor
60
Jahren entschieden ! |
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Wie kam es dazu ? |
Bereits 1963 gab es im Stahl- und
Walzwerk in Hennigsdorf
eine Lochkartenstation. Eine tschechische Arithmaanlage.
Das
waren Maschinen zur Datenerfassung, Rechenlocher, Misch- und
Tabelliermaschinen. Gut ausgebildetes Personal war schon da,
um die betriebliche Kostenrechnung zu bearbeiten.
Die
Leistung der Rechenlocher und ihre begrenzte Programmierbarkeit
ließen jedoch keine weiteren Anwendungen zu.
Karl
Butz und Dr. Dieter Oheim hatten die Idee, in den Kreislauf der
Verarbeitung einen Elektronenrechner
einzubinden,
um so mehr
und
anspruchsvollere Aufgaben zu bearbeiten. Es
konnte ein
Partner gefunden werden,
der zum Elektronenrechner auch einen programmierbaren Lochkartenleser
lieferte, der auch Lochkarten im Arithma-Format
einlesen
konnte. |
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Der Grundstein für das
Rechenzentrum konnte gelegt werden |
Betriebsleitung
und Ministerium genehmigten dieses Vorhaben. Der Hausbau
für
das Rechenzentrum und der
Kauf eines
Elektronenrechners waren
im
Finanzplan.
In einem Lehrgang im Ferienheim
Luhme wurden die Leiter der
Bereiche
darüber informiert,
welche Aufgaben mit der
Rechenstation dann möglich sind und welche Effekte
sich daraus
ergeben werden. Dazu gehörte
z.B. die komplette Lohn- und Gehaltsrechnung
für die über
8000
Beschäftigten des Betriebes.
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Warum denn
einen polnischen Rechner ? |
Der
Elektronenrechner ZAM 2 GAMMA

Ein
Techniker, Herr Gurne und ein Programmierer, Herr
Radzikowski wurden vom
Institut freigestellt, damit der Rechner in
Hennigsdorf schneller zum
Einsatz kam.
| Bereits beim ersten
Kontakt mit dem Institut konnten wir erfahren, daß
es
nicht nur um die Lieferung der Rechenanlage und dem Lochkartenleser
ging. Im Institut wurde auch Software entwickelt, um
einen
schnellen Einsatz einer Anlage zu
gewährleisten. Dazu
gehörte der Makro- Assembler SAS und die
objektorientierte, Fortran-
ähnliche Programmiersprache SAKO.
Das
war eine Software, die vom Direktor des Instituts,
Herrn Prof. Leon
Łukaszewicz entwickelt wurde.
Link
Wikipedia: In memoriam
Prof. Leon Łukaszewicz
Wie dort
beschrieden,
war er der geistige
Vater dieser
neuen
Technik in Polen.
Link:
Wikipedia ZAM 2
Und
auch der
Wegbereiter zur Einführung
der digitalen
Rechentechnik im damaligen Stahl- und Walzwerk in Hennigsdorf
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Der Lehrgang |
 Das war der Dozent, der
uns in
sechs Monaten vermittelte, wie der Rechner funktioniert und
wie
man
prophylaktisch Fehler in der Maschine finden kann. Das war
für beide Seiten schwierig, denn er
erklärte den Rechner in polnisch. Ein Dolmetscher der den
Lehrgang begleitete, verstand selbst die Thematik, hatte
aber sehr oft Probleme, die deutschen Begriffe
zu
finden. Alles war ja Neuland. Der Rechner war mit
850 Elektronenröhren bestückt,
die sich auf
steckbaren Modulen
befanden. Aus diesen
Modulen bestanden die zentrale
Steuerung,
die Register und das
Rechenwerk, die über
logische Elemente miteinander verknüpft
waren. Dazu
gab es eine DIN A1 große Mappe mit
mindestens
50 Seiten.
Darin befanden sich die logischen Schaltungen des
Rechners. Eine
technische Besonderheit
dieses Rechners waren
seine Speicher.
Einige
Details sind in dem folgenden Link enthalten:
Module
und Speicher
Die Prüfung
 
Links: An der
Tafel sollte das
Funktionsprinzip des Rechenwerkes der Anlage
erklärt
werden. Rechts: Der
damalige Direktor des Instituts Herr
Semla prüfte selbst
das Ergebnis der Ausbildung. Zum Ende des
Lehrgangs wurde überprüft, ob die
Kenntnisse ausreichend waren, um die Maschine ohne fremde
Hilfe instand
zu halten. Zur bestandenen
Prüfung gab es ein
Zertifikat, daß von Herrn Prof. Łukaszewicz unterzeichnet war.
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ZAM 2 10 Jahre im produktiven
Einsatz |
Die ersten
Schritte Zunächst
wurde die neue Anlage im neuen Gebäude des
Rechenzentrums installiert. Den
Initiatoren des Vorhabens konnte die neue Anlage im
Frühjahr 1964 vorgeführt werden:
Link: ZAM-2
Die Inbetriebnahme
Dank der
beiden polnischen Ingenieure verlief die Inbetriebnahme und die
Einarbeitung des Bedien- und Wartungspersonals
recht
zügig. Bereits in der
Einführungszeit zeigte sich, daß
Eigenschaften
und
Leistung der peripheren Geräte nicht
ausreichten, um die geplanten Projekten
zeitgerecht zu
bearbeiten. Zur Steigerung der Leistung wurden
Lösungen gefunden, die
einen schnelleren und sicheren Datendurchsatz möglich
machten.
Im
folgenden Link näher beschrieben: ZAM-2
Erweiterungen
Der
Routinebetrieb In einem
Jahr wurden die Speicher der Anlage soweit stabilisiert, daß
ein
Zweischichtbetrieb möglich wurde. Gespeicherte
Zwischenergebnisse halfen dabei, auch länger
laufende Projekte fehlerfrei zu beenden.
Welchen
Nutzen brachten die Gründung des Rechenzentrums und 10 Jahre
ZAM 2 dem Betrieb ?
° Die Leistung der Lochkartenstation wurde um ein
Vielfaches gesteigert
° Die Erweiterungen des Rechners
ermöglichten es, neue Anwendungsgebiete zu
bearbeiten.
° Die mit dem ZAM 2 erzielten
Ergebnisse
setzten Maßstäbe für das Nachfolgesystem.
° Monotone Routinearbeit wurde
digitalisiert
und maschinell dauerhaft ersetzt.
° Mit dem Rechenzentrums entstanden neue Berufsbilder
für seine Mitarbeiter, durch die Teilnahme an
zahlreichen Lehrgängen
mit Zertifikat.
Auf dieser Seite sollte
hauptsächlich die Gründung des Rechezentrums
behandelt werden. Um ein vollständiges Gesamtbild von
der Bedeutung dieser Investition zu erhalten, müssten auch die Leistungen
der Projektanten, Programmierer und Bediener näher beschrieben
werden. Sie erst ermöglichten eine mehrschichtige
Auslastung der Anlage. - Und
auch, welche Anwendungen den
größten Nutzen brachten. Daher
stellt diese Nutzenbeschreibung nur
eine Teilbewertung der Gesamtleistung dar.
Es hat sich gezeigt:
Wenn man sich einig ist in der
Zielsetzung und
„wenn der Wille besteht, diese Ziele zu
erreichen“
lassen sich auch anspruchsvolle Aufgaben
lösen.
Mein
besonderer Dank
gilt meinen Kollegen, die sich über 30 Jahre rund um die Uhr
dafür eingesetzt
haben,
daß die Technik im Rechenzentrum zuverlässig
funktionierte.
Nachtrag: Bereits
nach 8 Jahren erreichte der ZAM 2 seine Leistungsgrenze. Es
folgte die Planung eines Nachfolgesystems und eine
umfangreiche Erweiterung des
Rechenzentrums. In
einem neuen
Gebäudekomplex kamen in fast
30 Jahren drei Rechnergenerationen zum Einsatz.
Mit
dem Ende
der DDR wurde alles verschrottet und die Gebäude
abgerissen.
Geblieben ist
das Wissen und
die Erfahrung der
Mitarbeiter,
wie Digitalisierung
nutzbringend angewendet werden kann.
Link:
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Minsk 32
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